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"Zu hoffen, ohne wirklich Hoffnung zu haben, ist im wahrsten Sinne des Wortes hoffnungs-los." So sagt es die dt. Journalistin Margit Strott-Heinrich. Scheinbar aussichtslose, hoffnungslose und schwierige Lebenssituationen treffen Menschen überall in unserer Welt. Eine spielt sich gerade im Krieg in der Ukraine ab, eine andere in den Erdbebengebieten in der Türkei und in Syrien, wieder eine andere in Afghanistan und im Iran, wo Frauen systematisch unterdrückt werden. Dazu gehören ebenso Lebenssituationen, in denen Menschen Probleme und Schwierigkeiten über den Kopf zu wachsen drohen und sie dann erheblichen Stress, sowie Gefühle der Trauer, Wut, Überforderung, Hilflosigkeit und Verzweiflung erleben. Das können private Belastungen oder aber Konflikte im Job sein. Zur Lösung schwieriger Situationen in der katholischen Kirche, ausgelöst durch das verheerende Bild über den sexuellen Missbrauch in den deutschen Bistümern, riefen die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken Anfang 2020 den Synodalen Weg ins Leben. Allen Beteiligten war damals klar, dass dieser Schritt nur glaubhaft möglich ist, wenn es zu strukturellen Änderungen in der katholischen Kirche kommt - anders gesagt: zu echten Reformen. Obwohl es einen kleinen Fortschritt gab, wie z. B. im Blick auf die Predigterlaubnis von Frauen im Gottesdienst oder der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, bleibt ein fahler Beigeschmack, ob das nun umsetzbar ist und nicht wieder durch den immensen Druck aus Rom gecancelt wird.
Wie ist mit solchen Lebenssituationen umzugehen? Zunächst ist es wichtig, mir bewusst zu machen: Es gibt gar keine schwierigen, hoffnungs- und aussichtslosen Situationen. Das ist immer nur ein Urteil des Verstandes, der keine Lösung sieht. Aber in Wirklichkeit gibt es immer einen Weg. Das Leben geht immer weiter. Wenn sich was ändern soll, muss ich etwas ändern, mein So-sein, denn das entscheidet über meine Zukunft. Es ist also Not-wendend für mich selbst und andere, meine Einstellungen und Werte immer wieder neu zu hinterfragen, ob sie nicht eher lebenshinderlich als lebensförderlich sind. Es ist Not-wendend eine Kultur der Achtsamkeit zu leben, achtsam mich und andere wahrzunehmen, sicherlich auch wertzuschätzen und gegebenenfalls zu verändern, eine vielfältige Einheit zu leben.
Mit der Geschichte der Heilung des Blindgeborenen, die wir an diesem Sonntag im Evangelium lesen, will der Evangelist Johannes die Christinnen und Christen seiner Gemeinde einladen, ihr Leben im Licht des Glaubens an Jesus Christus wahrzunehmen und zu führen. Im geschichtlichen Hintergrund steht die erzwungene Abspaltung der Jesus-Jünger aus der Synagoge, der schmerzliche Prozess der Trennung der frühen Kirche von ihrem jüdischen "Mutterboden". Es ist der Prozess, mit dem sie ihr christliches Profil herausbilden und schärfen. Jesus Christus, das Licht der Welt, ist das Fundament ihres Lebens. Er macht sie sehend, glaubend, dass es keine aussichtslosen Situationen gibt. Das Leben geht immer weiter, selbst hinter der Schranke des Todes. Johannes lädt uns heute ein, unseren Blick zu weiten, weiterzudenken, Unmögliches zu ermöglichen und mit dem Herzen zu sehen, denn, wie sagt es Antoine de Saint-Exupéry: "Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar."
(Übersetzung aus der revidierte Einheitsübersetzung 2016)
1 Unterwegs sah Jesus einen Mann, der seit seiner Geburt blind war.
2 Da fragten ihn seine Jünger: Rabbi, wer hat gesündigt?
Er selbst oder seine Eltern, sodass er blind geboren wurde?
3 Jesus antwortete: Weder er noch seine Eltern haben gesündigt,
sondern die Werke Gottes sollen an ihm offenbar werden.
4 Wir müssen, solange es Tag ist, die Werke dessen vollbringen, der mich gesandt hat;
es kommt die Nacht, in der niemand mehr wirken kann.
5 Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.
6 Als er dies gesagt hatte, spuckte er auf die Erde;
dann machte er mit dem Speichel einen Teig, strich ihn dem Blinden auf die Augen
7 und sagte zu ihm:
Geh und wasch dich in dem Teich Schiloach! Das heißt übersetzt: der Gesandte.
Der Mann ging fort und wusch sich. Und als er zurückkam, konnte er sehen.
8 Die Nachbarn und jene, die ihn früher als Bettler gesehen hatten, sagten:
Ist das nicht der Mann, der dasaß und bettelte?
9 Einige sagten: Er ist es.
Andere sagten: Nein, er sieht ihm nur ähnlich.
Er selbst aber sagte: Ich bin es.
10 Da fragten sie ihn: Wie sind deine Augen geöffnet worden?
11 Er antwortete: Der Mann, der Jesus heißt, machte einen Teig,
bestrich damit meine Augen und sagte zu mir:
Geh zum Schiloach und wasch dich! Ich ging hin, wusch mich und konnte sehen.
12 Sie fragten ihn: Wo ist er? Er sagte: Ich weiß es nicht.
13 Da brachten sie den Mann, der blind gewesen war, zu den Pharisäern.
14 Es war aber Sabbat an dem Tag,
als Jesus den Teig gemacht und ihm die Augen geöffnet hatte.
15 Auch die Pharisäer fragten ihn, wie er sehend geworden sei.
Er antwortete ihnen:
Er legte mir einen Teig auf die Augen und ich wusch mich und jetzt sehe ich.
16 Einige der Pharisäer sagten:
Dieser Mensch ist nicht von Gott, weil er den Sabbat nicht hält.
Andere aber sagten: Wie kann ein sündiger Mensch solche Zeichen tun?
So entstand eine Spaltung unter ihnen.
17 Da fragten sie den Blinden noch einmal:
Was sagst du selbst über ihn? Er hat doch deine Augen geöffnet.
Der Mann sagte: Er ist ein Prophet.
18 Die Juden aber wollten nicht glauben,
dass er blind gewesen und sehend geworden war.
Daher riefen sie die Eltern des von der Blindheit Geheilten
19 und fragten sie:
Ist das euer Sohn, von dem ihr sagt, dass er blind geboren wurde?
Wie kommt es, dass er jetzt sieht?
20 Seine Eltern antworteten:
Wir wissen, dass er unser Sohn ist und dass er blind geboren wurde.
21 Wie es kommt, dass er jetzt sieht, das wissen wir nicht.
Und wer seine Augen geöffnet hat, das wissen wir auch nicht.
Fragt doch ihn selbst, er ist alt genug und kann selbst für sich sprechen!
22 Das sagten seine Eltern, weil sie sich vor den Juden fürchteten;
denn die Juden hatten schon beschlossen,
jeden, der ihn als den Christus bekenne, aus der Synagoge auszustoßen.
23 Deswegen sagten seine Eltern: Er ist alt genug, fragt ihn selbst!
24 Da riefen die Pharisäer den Mann, der blind gewesen war,
zum zweiten Mal und sagten zu ihm:
Gib Gott die Ehre! Wir wissen, dass dieser Mensch ein Sünder ist.
25 Er antwortete: Ob er ein Sünder ist, weiß ich nicht.
Nur das eine weiß ich, dass ich blind war und jetzt sehe.
26 Sie fragten ihn: Was hat er mit dir gemacht? Wie hat er deine Augen geöffnet?
27 Er antwortete ihnen: Ich habe es euch bereits gesagt, aber ihr habt nicht gehört.
Warum wollt ihr es noch einmal hören? Wollt etwa auch ihr seine Jünger werden?
28 Da beschimpften sie ihn:
Du bist ein Jünger dieses Menschen; wir aber sind Jünger des Mose.
29 Wir wissen, dass zu Mose Gott gesprochen hat;
aber von dem da wissen wir nicht, woher er kommt.
30 Der Mensch antwortete ihnen:
Darin liegt ja das Erstaunliche, dass ihr nicht wisst, woher er kommt;
dabei hat er doch meine Augen geöffnet.
31 Wir wissen, dass Gott Sünder nicht erhört;
wer aber Gott fürchtet und seinen Willen tut, den erhört er.
32 Noch nie hat man gehört, dass jemand die Augen eines Blindgeborenen geöffnet hat.
33 Wenn dieser nicht von Gott wäre, dann hätte er gewiss nichts ausrichten können.
34 Sie entgegneten ihm:
Du bist ganz und gar in Sünden geboren und du willst uns belehren?
Und sie stießen ihn hinaus.
35 Jesus hörte, dass sie ihn hinausgestoßen hatten,
und als er ihn traf, sagte er zu ihm: Glaubst du an den Menschensohn?
36 Da antwortete jener und sagte: Wer ist das, Herr, damit ich an ihn glaube?
37 Jesus sagte zu ihm: Du hast ihn bereits gesehen; er, der mit dir redet, ist es.
38 Er aber sagte: Ich glaube, Herr! Und er warf sich vor ihm nieder.
39 Da sprach Jesus: Um zu richten, bin ich in diese Welt gekommen:
damit die nicht Sehenden sehen und die Sehenden blind werden.
40 Einige Pharisäer, die bei ihm waren, hörten dies.
Und sie fragten ihn: Sind etwa auch wir blind?
41 Jesus sagte zu ihnen: Wenn ihr blind wärt, hättet ihr keine Sünde.
Jetzt aber sagt ihr: Wir sehen. Darum bleibt eure Sünde.
Heilender und heilbringender Gott,
du blickst anders auf uns Menschen als wir es selbst tun.
Du schaust in unser Herz
und nicht nur auf den äußeren Schein.
Du kennst uns ganz.
Dein liebvoller Blick auf uns Menschen
kann uns verändern und uns die Augen öffnen,
gerade dann, wenn unsere Sicht "vernebelt" ist,
wenn wir keine Perspektiven mehr sehen,
alles so hoffnungslos und aussichtslos erscheint.
Mache unser Dunkel hell
und weite unseren Blick und unseren menschlichen Horizont.
Amen.
(4. Fastensonntag Lsj A – 16.03.2023 © Christian Scheinost)