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Der im Jahre 2004 verstorbene amerikanische Schauspieler Marlon Brando sagte einmal: Die besonderen Auszeichnungen, die "Oscars sind ein Teil der Krankheit in Amerika, dass man in Kategorien von Gewinnern und Verlierern denkt, wer gut ist und wer schlecht, wer der Beste und wer der Schlechteste ..."
Diese "Krankheit", von der Marlon Brando spricht, hat schon längst Einzug gehalten auch in den übrigen Teilen der Welt, in Staat, Gesellschaft und in der Kirche. In meiner Wahrnehmung werden Beurteilungskriterien wie Gut und Böse, Wahrheit und Lüge, Gewinner und Verlierer, fleißig und faul, produktiv und unproduktiv … angewandt, um den Wert eines Menschen zu bestimmen und die Frage zu beantworten: Was macht den Menschen wertvoll?
Das Internet gibt in unterschiedlichen Debattenforen Aufschluss darüber, was Menschen heute über das "Wertvollsein" denken: Da wird z. B. gesagt: "Für mich ist jeder Mensch auf seine Weise wertvoll, so wie er ist und wenn er so lebt, dass er anderen keinen ernsten Schaden zufügt." Oder: "Wertvoll sind Menschen, wenn sie Wissen weitergeben, liebensfähig sind, treu, loyal, verlässlich, sozial." Wieder andere sagen: "Der Wert eines Menschen steigt oder fällt je nachdem, wie es die Gesellschaft sehen will oder sieht."
Aus diesen Zitaten und Debatten wird deutlich, so meine Hypothese, dass das „Wertvollsein“ eine subjektive Einschätzung ist und durchweg mit positiven Begriffen und Erfahrungen zu tun hat: Wer unproduktiv, ein Quertreiber ist, provokant, nichts für die Gemeinschaft einbringt, z. B. Verbrecher, Lügner, Mörder, Wirtschafts-Schmarotzer, die sind alle wertlos, unwürdig, zu verachten!
Die Würde des Menschen ist unantastbar, sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt, so steht es im 1. Artikel des Grundgesetztes. Die Würde des Menschen kann nicht in Geldwert, Produktivität, Sozialkompetenz errechnet werden, sondern allein in der Frage: Für wen bin ich wertvoll, wer sagt "Ja" zu mir.
Eine Frage, die sich Christen schon in den Anfangsjahren der Kirche immer wieder stellten, in Zeiten der Verfolgung und in der Gefahr einer "scheinbar drohenden Bedeutungslosigkeit" unter und zwischen den anderen Religionen, dem Judentum und der römischen und griechischen Götterwelt … Was im ersten Jahrhundert herrschte, scheint sich im 21. Jahrhundert zu wiederholen.
Und darauf antwortet Lukas mit seinem Evangelium, besonders auch im Blick auf Maria: Gott hat eine junge Frau, die in der damaligen Gesellschaft und im Judentum kaum Wert hatte, erwählt als Mutter seines Sohnes. Gott sieht auch und besonders auf die Niedrigen, die Hungrigen, die Schwachen und gibt ihnen Würde und Wert. Und jede Person, die Gott durch seine Erwählung ins Herz geschrieben hat, bewahrt er in alle Ewigkeit. Die unbedingte Würde des Menschen hängt daher nicht an unseren Leistungen, sondern daran, dass Gott selbst uns unbedingt bejaht. Gott hat uns zuerst geliebt. Das, was für Maria gilt, ist auch uns gegeben, durch unsere bloße menschliche Existenz und durch unsere Taufe. Diese Zusage gilt uns durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi. Gott ist treu, er teilt nicht ein, er gibt Wert und Würde jedem und jeder: Dieses Fest ruft uns auf, allen unseren Mitmenschen, der Nachbarin neben mir, dem Bettler am Wegesrand, den Alten und Kranken, vor allem jenen, die wir innerlich bereits abgeschrieben haben, in jener Würde zu begegnen, die das heutige Fest gerade ihnen zuschreibt, denn Gott vergisst niemanden.
Mit Maria lädt Gott uns ein, einen Weg einzuschlagen, auf dem das Leben heil voll verwandelt wird, Erlösung und Himmel spürbar werden und wir selber zu einem Zeichen der Hoffnung werden. Amen.
(Übersetzung aus der revidierte Einheitsübersetzung 2016)
39 In diesen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa.
40 Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet.
41 Und es geschah, als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt
42 und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.
43 Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?
44 Denn siehe, in dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib.
45 Und selig, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.
46 Da sagte Maria:
Meine Seele preist die Größe des Herrn /
47 und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
48 Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. / Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.
49 Denn der Mächtige hat Großes an mir getan / und sein Name ist heilig.
50 Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht / über alle, die ihn fürchten.
51 Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: / Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;
52 er stürzt die Mächtigen vom Thron / und erhöht die Niedrigen.
53 Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben / und lässt die Reichen leer ausgehen.
54 Er nimmt sich seines Knechtes Israel an / und denkt an sein Erbarmen,
55 das er unsern Vätern verheißen hat, / Abraham und seinen Nachkommen auf ewig.
56 Und Maria blieb etwa drei Monate bei ihr; dann kehrte sie nach Hause zurück.
Uns liebender Gott,
Maria war unendlich wertvoll für dich, so wie sie war.
Du hast auf ihre "Niedrigkeit" geschaut,
sie erwählt, in dein Herz geschrieben,
mit Leib und Seele bewahrt für die Ewigkeit.
Mit unserer Taufe steht deine Zusage auch für uns fest:
Ich liebe dich. Du bist wertvoll. Sei bewahrt für die Ewigkeit.
In diesem Bewusstsein wollen wir aufbrechen in eine Welt,
in der wir allen Menschen Wert und Würde geben,
keinen abschreiben und am Wegesrand stehen lassen.
Begleite uns und mach durch uns die Erde himmlisch.
Amen.
(Zum Fest Mariä Himmelfahrt – Gebildeichshäuschen – 13.08.2020 – © Christian Scheinost)